Zur Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal
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17. November 2022RS Randack Group: Garantiert keine Schraube locker!
Jens Randack: Von Flutkatastrophen über verhinderte Abschiebedramen bis zum „Schrauben für den guten Zweck. Ein Unternehmer in Bewegung.
Seit knapp 28 Jahren führt Jens Randack die RS Randack Spezialschrauben GmbH als Geschäftsführer und Inhaber in dritter Generation. Gerade in letzter Zeit erlebt der 62-jährige Westfale, wie sehr der fortschreitende Klimawandel, die aus dem russischen Angriffskrieg resultierende Energiekrise, die Flüchtlingsthematik und natürlich die Coronapandemie Einfluss nehmen auf sein Leben ebenso wie auf den mittelständischen Betrieb im grünen Volmetal im Süden von Hagen.
Im Juli 2021 kippte die Natur der Schraubenfirma die Konsequenzen des Klimawandels buchstäblich vor die Füße. Meterhoch türmten sich Geröll und Schlamm vor den langgestreckten Produktionshallen. Ein gutes Jahr, nachdem eine der verheerendsten Flutkatastrophen der Geschichte mehrere Stadtteile der Volmestadt unter Wasser gesetzt und schwer zerstört hat, steht Jens Randack, ein hochgewachsener, schlanker Mann im ersten Stock seines Verwaltungsgebäudes am Fenster. Er deutet auf die von der Morgensonne beschienene B 54, an der die Firma liegt. „Sehen Sie den kleinen Bach, der aus den Bergen gegenüber kommt? Der hat hier alles verwüstet und verschüttet, auf der Straße war kein Durchkommen mehr. Und als wir in nur einem Tag Steine und Schlamm beseitigt hatten, hat es die Volme, die direkt hinter den Hallen entlang fließt, hochgedrückt.“
Der Flutkatastrophe und wirtschaftlichem Ruin knapp entgangen
Allein der Voraussicht seines Vaters sei es zu verdanken, dass es „nur“ bei einem sechsstelligen Schaden geblieben sei, erklärt Randack. Der Senior habe nämlich damals das gesamte Werksgelände ein wenig erhöht bauen lassen, zumal die Versicherung für den kleinen Nebenfluss der Ruhr schon in den 70er Jahren ein solches „Jahrhunderthochwasser“ vorausgesagt und daher keine Elementarschadendeckung erteilt hatte. „Fünf Zentimeter mehr und die gesamte Fertigung hätte unter Wasser gestanden“, sagt der Firmeninhaber und schüttelt den Kopf. Kaum auszumalen, welcher wirtschaftliche Schaden entstanden wäre, wenn der Maschinenpark bestehend aus Gewinderollmaschinen, Schmiedepressen, Senk-Erodier-Maschinen, CNC-Drehzentren, Muttergewindeschneidemaschinen u.v.m. zerstört worden wäre. Zumal einige der Maschinen nicht mehr hergestellt werden. Vielmehr hat sich dem auf Sonderschrauben, Muttern, Drehteile und Verbindungselemente spezialisierten Betrieb durch die dramatischen Überschwemmungen ein neuer, wenn auch temporärer Absatzmarkt direkt vor der Haustür erschlossen. Denn: „In den vielen Behelfsstahlbrücken, die nach der Flutkatastrophe im Volmetal errichtet wurden, sind vor allem RS Spezialschrauben verbaut“, erklärt Randack.
Außerdem fertigt und vertreibt die Unternehmensgruppe, zu der seit 2008 ein Joint Venture in Pune, Indien, und seit 2009 ein weiteres in Houston zählen, zertifizierte, sicherheitsrelevante Produkte für Druckbehälter-, Gerüst-, Motoren-, Stahl-, Schiffs- und Maschinenbau, für OEMS, Nutzfahrzeuge aber auch für landwirtschaftliche Maschinen wie die Mähdrescher von John Deere, für Tunnelbohrmaschinen oder Krane, aber auch für die Petrochemie, Offshore-Supply und Atomkraftwerke sowie für Gas-, Dampf-, Wasser- und Windturbinen. „Auch meine Lieblingsautomarke Porsche verbaut unsere Produkte“, freut sich Randack, „und in den Flugzeugpropellern von Sportmaschinen sind sie ebenfalls zu finden.“ Die Gruppe ist mit
ihrer Handelsabteilung außerdem in der Lage, unterschiedliche Branchen, in erster Linie aber Automobil-Zulieferer mit Spezialartikeln – vom Serien- bis zum Ersatzteil – zu versorgen, hergestellt von ebenfalls zertifizierten, weltweit zu findenden Partnerfirmen. Obwohl die Randack-Gruppe also international produziert und liefert, bestehen mit Russland keine Geschäftsbeziehungen. „Gott sei Dank“, schnaubt der Hagener.
Zugpferd Windkraft – zumindest in Asien
Es ist allerdings der Windkraftindustrie zu verdanken, dass das Hagener Unternehmen, das auf eine kleine, 1934 von Großvater Otto Randack gegründete Eisenwarenfabrik zurückgeht, heute etwa 500 Mitarbeiter beschäftigt. 450 davon allein in Indien. „In den 2000ern zählte ein indisches Unternehmen, ein Global Player der Windkraft, zu unseren größten Kunden“, erzählt Randack, „wir standen vor der Wahl, es zu verlieren oder ihm mit unserer Produktion nach Indien zu folgen.“ Einige glückliche Fügungen später gründeten der im Pumpengeschäft tätige Thomas Eschner und Jens Randack die RFI Randack Fasteners India. „Ein deutsches Unternehmen in Indien“, wie der Westfale betont. Das deutsche Know How, die sprichwörtliche Gründlichkeit und Verlässlichkeit sind indes nicht alleiniger Grund für das 30 prozentige Wachstum, das das Joint Venture alleine im letzten Jahr hingelegt hat.
Vielmehr kommt den Produzenten von abnahmepflichtigen Hochsicherheitsteilen zugute, dass Indien ebenso wie China, wohin der Schraubenhersteller ebenfalls exportiert, bereits seit einiger Zeit sehr stark auf Windkraft setzt und sicherheitsgeprüfte Schrauben für Windturbinen eben unerlässlich sind. „90 Prozent unseres Umsatzes in Indien generieren wir in der Windkraftbranche“, sagt Randack. Inzwischen käme begünstigend hinzu, dass deutsche Windturbinenhersteller in großer Zahl nach Indien abwanderten, wo man sie dann direkt vor Ort beliefern könne. Schuld an dieser für die Randack-Gruppe vorteilhaften Entwicklung sei, dass es in Deutschland zwar den politischen Willen zum Ausbau der Windkraft gebe, dieser aber zu häufig am Widerstand von Gemeinden und Bürgern scheitere, sinniert der 62-Jährige am Konferenztisch eines der geräumigen Besprechungsräume.
Nun hat zwar die Ampel als Reaktion auf die Energiekrise, die Russlands Krieg gegen die Ukraine verursacht hat, das neue Wind-an-Land-Gesetz beschlossen. Doch setzt der Schraubenhersteller keine größere Hoffnung in den Beschluss, mit dem der Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland bis 2030 verdoppelt werden soll, um so schnell wie möglich die fatale Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden und langfristig den Klimawandel zu verlangsamen. Bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Bundesfläche für Windenergie bereitstehen, bis 2032 dann 2 Prozent. „Das halte ich für illusorisch“, sagt der Diplomingenieur, „auf Retrofit zurückzugreifen, also die Aufrüstung bestehender Anlagen, erscheint mir realistischer.“
Der Energiekrise, die sich für viele Verbraucher in Deutschland sowie für ganze Industriezweige zu einer existentiellen Bedrohung auswachsen kann, versucht man hier im Volmetal frühzeitig zu begegnen. So trifft Randack auf dem Weg zu den Produktionshallen im Treppenhaus auf den Vertreter eines großen Solaranlagenherstellers, der zu früh zum vereinbarten Beratungstermin erschienen ist. Später am Vormittag wird Randack den Kauf einer mehrere hunderttausend Euro teuren Photovoltaikanlage besiegeln. Die Verdreifachung der Strompreise in kürzester Zeit zwingt den Unternehmer zu dem Schritt, den er aus Umweltschutzgründen vielleicht sowieso irgendwann unternommen hätte.
Fertigungsprozesse: von Handarbeit bis Hightech
In der Produktionshalle, in der die angekauften Werkstoffe wie Bau- und Vergütungsstähle, rostfreie Stähle, NE-Metalle und Sonderlegierungen in verschiedenen Abmessungen verarbeitet werden, herrscht lautes, reges Treiben, jedoch keine Hektik. Völlig unterschiedliche Maschinen verrichten hier ihr Werk. So verlangen die altertümlichen Schmiedepressen, die mit einer Pressekraft von 350 Tonnen und bei 1000 Grad Hitze gerade Sechskantköpfe auf eine Charge unterarmlanger Schrauben schmieden, den Arbeitern körperlich einiges ab. Denn für die Warmumformung müssen die Schrauben Stück für Stück in Zangenarbeit eingesetzt werden, um sie mit einem kräftigen Schlag in Form zu bringen, bevor sie rotglühend im Auffangkorb landen. An den CNC-gesteuerten Drehzentren wird dagegen per Hightech zerspant. Zu den Fertigungsmethoden zählen aber auch spanlose Verfahren. So pressen etwa die Gewinderollmaschinen mit brachialer Kraft das Gewinde in den Rohling. „Was uns auszeichnet, ist, dass wir vom Einzel- bis Serienteil alles liefern können, was der Kunde wünscht“, sagt Randack. Alle nötigen Prüfungen, zerstörungsfreie und zerstörende, kann sein Unternehmen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Abnahmegesellschaften im werkseigenen Werkstoffprüflabor selbst durchführen und auf Wunsch Prüfbescheinigungen und Zertifikate mitliefern.
Ein Herz für die Schwachen
Dass Princewell Isiodu an einem Nadelpräger steht und Prüfnummern auf die Schrauben, Muttern und Verbindungselemente graviert, ist übrigens der Hartnäckigkeit seines Arbeitgebers zu verdanken. Der hat sich nämlich mit Händen und Füßen gegen die geplante Abschiebung des jungen Nigerianers gewehrt. „Diese Ungerechtigkeit, dass ein Asylsuchender, der sich integriert, seit zweieinhalb Jahren bei uns arbeitet und Steuern zahlt, plötzlich das Land verlassen soll, weil das jemand vom Amt einfach mal entscheidet, das ging mir wirklich gegen den Strich“, sagt Randack mit Nachdruck. Nachdem er die Presse eingeschaltet und seinem Hilfsarbeiter einen Ausbildungsvertrag angeboten hat, durfte der in seiner Heimat von Repressalien bedrohte Mann schließlich bleiben.
Eine weitere Herzensangelegenheit des Unternehmers verbirgt sich in einer nahegelegenen Werkstatt. Hier parken zwei altertümliche … Mopeds? Fahrräder? Randack klärt auf: „Das sind Vélosolex, historische Fahrräder mit Hilfsmotor, von denen zwischen den 50ern und 80ern an die sechs Millionen Stück gebaut worden sind.“ Die Vorläufer des heutigen Ebikes haben zwar auch nur 0,75 PS, benötigen aber ein Nummernschild und erfordern, anders als das Pedelec, kein ständiges Treten. Seitdem den umtriebigen Mann Anfang 2020 die Coronapandemie ans Haus gefesselt hat – die monatlichen Reisen in die USA und nach Indien konnten ebenso wenig stattfinden wie die geliebten Auslandsurlaube mit seiner Frau –, hat er erst das eigene, dann viele weitere Vélosolex für Liebhaber in ganz Deutschland restauriert. Dieses neue Hobby hat Jens Randack aber nicht nur die Corona-Langeweile versüßt, sondern erfüllt obendrein einen guten Zweck: Denn den Erlös spendet der „Schrauber“ an zwei Kinderhospize. „Ich möchte helfen, den Kindern ihre letzte Zeit so erträglich wie möglich zu machen“, sagt Randack.